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Sicpa – die undurchsichtigen Geschäfte mit dem Vertrauen

Sicpa – die undurchsichtigen Geschäfte mit dem Vertrauen

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Einführung

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Von Ferne sieht die Baustelle aus wie viele andere. Riesige Kräne erheben sich über staubigem Boden. Absperrungen verhindern den Zugang zum grossen Baugebiet. Arbeiter mit Schutzhelmen wuseln herum. Wir befinden uns in Prilly, einem unscheinbaren Industriegebiet nordwestlich von Lausanne im Kanton Waadt. Doch der riesige Komplex, der hier gebaut wird, ist mehr als nur eine weitere Ansammlung von verglasten Gebäudewürfeln. Es handelt sich um den "unlimitrust campus". Ziel dieses Projekts ist, technische Lösungen zu entwickeln, die eine "Ökonomie des Vertrauens" fördern.

Beteiligt sind öffentliche und private Träger aus den Kantonen Waadt und Genf, darunter die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL), die Universität Genf und Microsoft. Es wird angestrebt, Synergien zwischen unterschiedlichen Akteuren zu schaffen, um die Forschung und das Unternehmertum im Bereich der Rückverfolgbarkeit sowie der Sicherheitsstandards digitaler und physischer Produkte zu fördern.

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Ein unauffälliger, aber wichtiger Akteur dieses "Ökosystems" ist Sicpa, ein Familienunternehmen, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts in dieser Region gegründet wurde. Das Akronym ist kaum bekannt, aber ein Grossteil der Weltbevölkerung hat schon einmal einen Gegenstand in der Hand gehabt, der das Hauptprodukt des Unternehmens enthält: Druckfarbe.
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Sicpa ist weder eine Druckerei noch ein Verlag. Das Unternehmen stellt eine erstklassige Sicherheitsfarbe her, die sich nicht reproduzieren lässt. In den fast 100 Jahren seines Bestehens hat das Unternehmen die Welt mit seiner Zauberformel erobert, die zunächst auf Banknoten verwendet wurde.

Später kamen Briefmarken beziehungsweise Gütesiegel hinzu, die in vielen Ländern zur Kennzeichnung von Alkohol und Zigaretten dienten. Sicpa hat seinen Ruf auf Vertrauen aufgebaut.
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Fast ein Jahrhundert lang beruhte dieses Vertrauen auf Geheimhaltung. Sicpa befindet sich im Besitz der Gründerfamilie und ist nicht börsenkotiert. Da es keine externen Investoren gibt, besteht keine öffentliche Rechenschaftspflicht.

Das Unternehmen wird von der Wirtschaftspresse weitgehend ignoriert, und die Informationen, die bisher über das Unternehmen durchgesickert sind, hat deren eigene Pressestelle geliefert.


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Während unserer Recherche stellten wir immer wieder dasselbe Phänomen fest: Je vertrauter unsere Quellen mit dem Unternehmen waren, desto entschiedener baten sie um Anonymität. Unabhängig davon, ob es sich um ehemalige oder aktuelle Mitarbeitende oder um Konkurrenten der Firma handeltet.

Die rund 20 Interviewpartner:innen stellten alle die gleiche Bedingung. Wer Sicpa und seinen Wirkungskreis kennt, weiss, dass Geheimhaltung das oberste Gebot ist. Ausserhalb des Insiderkreises dringt nichts oder fast nichts nach aussen.
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In den letzten Jahren ist diese Geheimhaltungskultur jedoch ins Wanken geraten. Das Unternehmen war und ist in der Schweiz und in Übersee in den Fokus von Korruptionsermittlungen geraten. Diese sind teilweise noch nicht abgeschlossen und haben bisher nicht zu Verurteilungen geführt. Es gilt daher die Unschuldsvermutung.

Die Firma Sicpa hatte auch die Möglichkeit, zu jedem der in diesem Artikel gegen sie erhobenen Vorwürfe Stellung zu nehmen. Unsere Recherchen stützen sich in hohem Masse auf Rechtsdokumente aus den erwähnten Ermittlungen sowie auf einen Rechtsstreit zwischen den Erben der Familie.

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"Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass die Bestechung ausländischer Beamter in der Schweiz erst seit dem Jahr 2000 unter Strafe steht", sagt Adrià Budry Carbó, Investigativ-Journalist der Schweizer Nichtregierungsorganisation Public Eye.

"Zuvor konnten die Unternehmen 'Provisionen' als Ausgaben verbuchen und daher von den Steuern abziehen. Einige Schweizer Unternehmen, die schon lange in risikobehafteten Ländern tätig waren, hatten Schwierigkeiten, sich anzupassen. Dieser Kulturwandel war manchmal schmerzhaft", so Budry Carbó.
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Tatsächlich sind die traditionellen Werte des Unternehmens im Lauf der Jahre und unter Führung verschiedener Mitglieder der Eigentümerfamilie Amon unter die Räder gekommen. Gegen das Unternehmen ermittelt die Schweizer Bundesanwaltschaft wegen Korruption, und dies in Zusammenhang mit Aktivitäten in diversen Ländern seit 2015.

Zu Beginn der Ermittlungen ging es um Vorfälle in 14 Ländern: Ghana, Togo, Philippinen, Ägypten, Brasilien, Indien, Kasachstan, Kolumbien, Nigeria, Pakistan, Senegal, Ukraine, Venezuela und Vietnam. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, heisst es auf Anfrage bei der Bundesanwaltschaft. Die oberste Ermittlungsbehörde lehnt es aber ab, Einzelheiten zu nennen.

In Brasilien zahlte das Unternehmen 135 Millionen Franken, um seine Rechtsprobleme zu beenden und seine Geschäfte dort weiterführen zu können. Sicpa beteuert gegenüber den Schweizer Behörden bis heute seine Unschuld.
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Im Jahr 2021 wurde Philippe Amon, der heutige Präsident des Unternehmens, von der Bundesanwaltschaft ebenfalls wegen Bestechung ausländischer Amtsträger angeklagt. Diese Verdachtsmomente lasten schwer auf dem Ruf des Unternehmens, dessen Konkurrenten die Entwicklungen natürlich genau verfolgen.
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Unsere Recherche geht auf die Ursprünge von Sicpa zurück und versucht, Licht in die Turbulenzen zu bringen, die das Unternehmen durchläuft. Mehrere Monate lang haben wir uns mit diesem mysteriösen Waadtländer Unternehmen befasst, indem wir im Bundesarchiv recherchierten, Gerichtsdokumente analysierten und die Aktivitäten des Unternehmens im Ausland mit Hilfe von Korrespondenten, Brancheninsidern und Experten aufschlüsselten. Die meisten unserer Informant:innen waren nur unter einer garantierten Anonymität bereit zu einer Aussage.
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Vom Melkfett zur Banknote

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Lausanne, 1927. Jeden Morgen sitzen Tausende von Schweizerinnen und Schweizern in der kühlen Morgendämmerung auf einem einbeinigen Schemel, um ihre Kühe zu melken. Nach Jahrhunderten bitterer Armut stellt sich ein Aufschwung ein. Die Schweiz wird für ihre gute Milch und cremige Schokolade bekannt.

In den Ställen schmieren sich die Bauern und Bäuerinnen Melkfett auf die Hände, um ihre Haut vor Rissen zu schützen und die Zitzen der Kühe zu schonen. Einer der Hauptlieferanten für Melkfett im Kanton Waadt ist Maurice Amon.

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Nur wenig ist über ihn bekannt. Der sephardische Jude, der 1880 auf der griechischen Insel Rhodos geboren wurde, wanderte in seiner Jugend in die Schweiz aus. Er arbeitete hart, und das von ihm erfundene Melkfett brachte ihm schnell Erfolg.

Die Formel für das Melkfett, eine Mischung aus Paraffin und Vaseline, war 1882 von dem Schweizer Chemiker Adolphe Panchaud erfunden worden. Amon baute auf dieser ursprünglichen Rezeptur auf und erfand zusätzlich eine schöne und wirksame Verpackung.

Mit spitzen Augenbrauen und einem glatten Schnurrbart verkaufte er seine rot-weissen Schachteln in der Zwischenkriegszeit gleich lastwagenweise. Sein Unternehmen trug den Namen Société industrielle et commerciale de produits alimentaires (Industrielle und kommerzielle Gesellschaft für Lebensmittel-Produkte). Sie wurde unter ihrem französischen Akronym "Sicpa" bekannt.
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Die Jahre vergingen, und für die Schweiz begann eine Ära des Wohlstands. Zunächst nutzte das Land seine Neutralität, um während des Zweiten Weltkriegs vom Kapitalzufluss aus dem Ausland zu profitieren. Zugleich entwickelten sich hochwertige Industrien. Auch für Sicpa ging es aufwärts, und die Reputation des Unternehmens stieg.
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Doch das reichte Maurice Amon nicht. Melkfett war zwar schön und gut, aber er hatte grössere Pläne. Gemeinsam mit Albert, seinem ältesten und sehr ehrgeizigen Sohn, erkannte er, dass sein Produkt ein wichtiger Wirkstoff für die Herstellung eines anderen Produkts war: Druckfarbe.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts blühte das Offsetdruck-Verfahren. Das mit Fett vermischte Pigment wurde auf die Druckplatten aufgetragen, während Wasser die unbedruckten Stellen benetzte. Die Presseerzeugnisse auf der ganzen Welt nutzten diese Innovation. Die Auflagen konnten erhöht werden ; die Gewinne stiegen. Die industrielle Revolution war im Gange, und die Wirtschaft befand sich im Umbruch.
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Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten die Regierungen Geld drucken, und die Nachfrage nach hochwertiger Druckfarbe stieg sprunghaft an. Das war ein Glücksfall für Sicpa, das wie andere Unternehmen vom Krieg verschont geblieben war. Die Firma profitierte vom guten Ruf der Schweizer Industrie, die für hohe Qualität und die Einhaltung strenger Normen bekannt war. Sie wurde für ihr einzigartiges Produkt und die engagierten Mitarbeitenden geschätzt.

Diverse Regierungen beauftragen die Firma daher, ihre Banknoten so detailliert wie möglich zu gestalten, um Fälschungen zu erschweren – besser noch: unmöglich zu machen. Spanien war das erste Land, das Sicpa 1943 mit der Produktion und Lieferung von Geldscheinen beauftragte. Konkret bestellte das Land 100-Pesetas-Noten mit den entsprechenden Sicherheitsstandards. Die Vereinigten Staaten von Amerika wandten sich ebenfalls an das Lausanner Unternehmen, um Dollarnoten herzustellen zu lassen. Das Glück war Sicpa hold.
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Ein Blick in Dokumente des Bundesarchivs gibt Aufschluss über den damaligen Unternehmensgeist bei Sicpa. Ein Brief mit der Überschrift "Sicpa SA" hält Folgendes fest: "Wir beehren uns, Ihnen mitzuteilen, dass die Direktion der Casa de Moneda de la Nacion Argentina in Buenos Aires am 8. April 1948 bei uns 12'500 Kilo Farbe für den Banknotendruck im Wert von 525'584 Franken bestellt hat." (Dies entspricht heute rund 2,6 Millionen Franken).

Der von Maurice Amon unterzeichnete Brief ist an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement gerichtet. Warum hat das kleine Unternehmen in Malley, einer Industriezone bei Lausanne, überhaupt die Behörden informiert?

Damals wurden die Zahlungen nicht direkt vom Lieferanten an den Kunden überwiesen, erklärt der Historiker Thibaud Giddey. "Die Schweizer Regierung überwies den Betrag auf das Schweizer Konto von Sicpa und forderte denselben Betrag von Argentinien zurück", sagt er. "Es handelte sich um ein Verrechnungssystem, das im internationalen Handel weit verbreitet war."

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An den vergilbten Briefen, die swissinfo.ch im Bundesarchiv in Bern einsehen konnte, gibt es nichts Aussergewöhnliches. Sie verraten die Bescheidenheit des Unternehmens und die strikte Einhaltung von Vorschriften.

So begann der Aufstieg der Firma. Mit modernen Formeln für haltbare Sicherheitsdruckfarben war das Unternehmen konkurrenzlos und hatte die Nase vorn. In den 1950er-Jahren kam Maurice Amon aber in die Jahre und trat zurück: Sein Sohn Albert übernahm nach und nach die Leitung des Unternehmens. Er arbeitete mit der gleichen Hingabe wie sein Vater.

"Er war ein aussergewöhnlicher Mensch mit einem ausgeprägten Geschäftssinn für die Industrie", erinnert sich ein Lausanner Anwalt, dessen Eltern mit den Amons befreundet waren. "Er war ein schlauer Geschäftsmann und wurde durch seine enorme Arbeitsfähigkeit und seinen Ruf als Gentleman erfolgreich. Er war rigoros, ein Mann, der zu seinem Wort stand, stark, rechtschaffen und sehr grosszügig. Ausserdem hatte er einen ausgeprägten Familiensinn."

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1952 überzeugte Albert Amon seinen Freund Gualtiero Giori, einen italienischen Drucker, nach Lausanne zu ziehen. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Fabriken war eng. Sicpa nutzte diese Jahre, um seine Marke zu stärken, neue Kundschaft zu finden und die Zahl der Labortests zur Verbesserung der eigenen Produkte zu erhöhen. Maurice Amon – und vor allem Albert – bemühten sich, für jede Erfindung ein Patent anzumelden.

In Zusammenarbeit mit der Universität Lausanne kreierten sie sogar eine Industrienorm für Druckfarben von Geldscheinen. Heute ist das Unternehmen nach eigenen Angaben im Besitz von mehr als 5000 Patenten.
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1969 beschloss Interpol, dass die Norm von Sicpa als weltweiter Massstab für den Banknotendruck gelten sollte – ein enormer Erfolg für das damals noch kleine Unternehmen aus dem Kanton Waadt.

Ende der 1980er-Jahre entwickelten die Ingenieure des Unternehmens eine optisch variable Druckfarbe, bei der sich der Farbeindruck je nach Blickwinkel ändert. Diese Erfindung ermöglichte es, für jeden Kunden eine einzigartige und massgeschneiderte Farbe herzustellen, die wie eine Unterschrift nicht reproduzierbar ist.
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Noch Anfang der 2000er-Jahre hielt das Waadtländer Unternehmen einen grossen Anteil am weltweiten Banknotenmarkt. Aber auch Konkurrenzunternehmen wie die deutsche Firma Gleitsmann Security Ink expandierten. Noch heute wird gemunkelt, dass alle Banknoten, die weltweit im Umlauf sind, Sicpa-Farbe enthalten – mit Ausnahme des japanischen Yen, wofür es keine Gründe gibt.

Wie konnte das Unternehmen aber seine Produkte diversifizieren? Ganz einfach: Indem es mit seiner Sicherheitsfarbe nicht Banknotenfälschern das Geschäft vermasselte, sondern eine andere Kategorie von Kriminellen ins Visier nahm: Schmuggler und Fälscher, die mit dem Verkauf von nicht deklariertem Alkohol und Zigaretten zu Reichtum kommen.
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Laut dem jüngsten Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entstehen durch den illegalen Welthandel mit gefälschten Produkten jährlich Verluste in Höhe von fast 500 Milliarden Dollar. Die Aktivitäten mit gefälschten Waren schmälern die Einnahmen der Länder, denen Steuern entgehen.

In der Schweiz wird der Verlust für das Jahr 2018 auf 4,45 Milliarden Franken geschätzt. Die grössten Umsatzeinbussen erlitt die Bekleidungsbranche mit Schuhen, Lederwaren und verwandten Produkten (12,5 Prozent ihrer Exporte ). Es folgt die Uhren- und Schmuckbranche (6,1 Prozent ihrer Exporte).
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In diesem Zusammenhang hatte Sicpa eine geniale Idee: Die Firma schlug nämlich vor, ihre Sicherheitsfarbe für sehr spezielle Papiere zu verwenden – für Steuermarken, welche die ordentliche Versteuerung und damit die Legalität von Produkten wie Alkohol oder Zigaretten belegen.

Mit ihrer magischen Farbe und einer feinen Zeichnung wird jede Marke zu einem Original und garantiert so, dass das gekaufte Produkt offiziell ist und bei den Steuerbehörden angemeldet wurde.
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Die nächste Herausforderung bestand darin, die Regierungen davon zu überzeugen, dieses System einzuführen und Sicpa zu vertrauen. Dazu waren die gleichen Werte erforderlich wie bei den Banknoten: Diskretion, Technologie und Fachwissen.

Das Unternehmen verfügte über gute Kontakte und ihre Vertretenden begannen, um die Welt zu reisen, um Verträge auszuhandeln und zu unterzeichnen. Der Wunsch nach Expansion veranlasste das Unternehmen, Risiken einzugehen. Und dies just in einem Moment, in dem erste Risse in der Unternehmensführung auftauchten.
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Ein Markt ohne Grenzen

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Obwohl der Aufstieg von Sicpa von der Schweizer Presse gefeiert wurde, sind bis heute nur wenige verlässliche Zahlen veröffentlicht worden. Das Unternehmen befindet sich nach wie vor in Familienbesitz. Es muss kein Geld über die Finanzmärkte aufnehmen, was die Offenlegung umfassender Finanzdaten nötig gemacht hätte.

Gemäss Schätzungen der Schweizer Tageszeitung Le Temps betrug der Umsatz im Jahr 2003 rund 750 Millionen Dollar und stieg 2015 auf 1,5 Milliarden Dollar. Das Unternehmen lehnte es ab, swissinfo.ch aktuelle Umsatzzahlen zu nennen, erklärte aber, dass der Grossteil der Einnahmen nach wie vor aus dem Banknotengeschäft stamme.
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Das Geschäft mit den Steuermarken ist im Lauf der Jahre gewachsen. Welchen Anteil am Umsatz die Steuermarken ausmachen, gibt Sicpa ebenfalls nicht bekannt.

Das Business mit den Steuermarken läuft unter dem Namen "SICPATRACE". Details zu diesem Markt sind nicht bekannt. Aber es ist klar, dass es sich um einen gigantischen Markt handelt, weil die Steuern gerade für Entwicklungsländer eine wichtige Einnahmequelle darstellen.

In zwei Jahrzehnten hat Sicpa mehr als 33 Verträge in 22 Ländern unterzeichnet. Nach Angaben des Unternehmens wird das System derzeit in 17 Ländern angewendet, darunter sechs in Afrika.
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Das System ist einfach: Um den Handel mit nicht deklariertem Alkohol oder Tabak zu unterbinden, entscheiden sich einige Staaten dafür, Flaschen und Zigarettenschachteln mit klar erkennbaren Steuermarken zu versehen. Diese garantierten die Legalität des Produkts und sind ein sichtbarer Beleg für bezahlte Steuern.

Wenn ein Hotel in Casablanca seinen Gästen Whisky ausschenken will, muss es diesen in einem für den Alkoholverkauf autorisierten Geschäft erwerben. Andernfalls verstösst es gegen das Gesetz. Ein Tabakladen in Los Angeles, Kalifornien, darf nur zertifizierte Marlboro- oder Camel-Zigaretten verkaufen. Bei Zigaretten ohne Steuermarken handelt es sich um Fälschungen.

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Theoretisch ist das System ideal. Es ermöglicht den Regierungen, ihre Steuereinnahmen zu erhöhen, ohne einen Rappen zu bezahlen. Die Zertifizierungskosten werden von den Tabak- und Alkoholherstellern übernommen und oft über den Verkaufspreis an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben.

Sicpa hat uns eingeladen, den Hauptsitz des Unternehmens in Prilly zu besuchen – ein anonymes, schwarzes, rechteckiges Gebäude. Die Fenster sind mit dem Firmenlogo gekrönt, das aus den ineinander verschlungenen Buchstaben "S" und "A" besteht.

Unser Besuch ist äusserst ungewöhnlich, weil das Unternehmen traditionell Presseanfragen zurückgewiesen hat. Aber dieser Schritt entspricht dem Bild von Transparenz, das Sicpa neuerdings vermitteln will.
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Am 19. November 2021 besuchten wir einen kleinen Präsentationsraum, in dem Maschinen und Beispiele von Druckerzeugnissen ausgestellt sind. Abweichend von den üblichen Gepflogenheiten des Unternehmens erklärte mit Ruggero Milanese, Direktor für Kennzeichnungs- und Rückverfolgbarkeitslösungen, eine Kaderperson die Arbeit höchstpersönlich.

Mit vielen Zahlen belegte er den Erfolg von "SICPATRACE" aus seiner Sicht: In Kenia habe der Staat im ersten Jahr nach der Einführung des Systems 45 Prozent mehr Steuern auf Alkohol und Tabak eingenommen. In Brasilien stiegen die Steuereinnahmen im Jahr 2009 um 30 Prozent. In Malaysia wurden im ersten Jahr nach Einführung der Steuermarke, im Jahr 2004, 100 Millionen Dollar zusätzlich eingenommen. Und in Albanien wurde 2010 eine um 50 Prozent gestiegene Bierproduktion gemeldet.

"Es ist ein positiver Kreislauf", so Milanese. "Denn die Hersteller vor Ort verstehen schnell, dass sie keine nicht deklarierten Produkte mehr verkaufen können. So schrumpft der Schwarzmarkt und der Gesamtmarkt gesundet, was automatisch die Steuereinnahmen und das Bruttoinlandprodukt erhöht."
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Sicpa ist besonders stolz auf seine Arbeit in Togo. Seit dem 1. September 2020 sind dort alle Alkohol- und Zigarettenfabriken mit Sicpa-Automaten ausgestattet. Sie sind direkt in die Produktionslinie integriert.

Auch alle Importprodukte erhalten ein Siegel. Nachdem eine Bierflasche etikettiert wurde und bevor sie verpackt und an die Einzelhändler verschickt wird, erhält sie eine Steuermarke auf dem Verschluss.
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Aus der Ferne erscheint diese wie eine schöne grüne und langgestreckte Briefmarke. Sie ist auch mit togolesischen Symbolen wie dem Affenbrotbaum versehen. Aus der Nähe leuchten ihre Farben und wechseln leicht von Rot zu Grün oder von Gold zu Grün, wenn man sie langsam bewegt.

Das schöne Design begeistert alle leidenschaftlichen Briefmarkenfans. Das innerste Geheimnis dieser Steuermarke ist jedoch für das blosse Auge unsichtbar: Er enthält einen einzigartigen Code, der das Produkt authentifiziert und die Zahlung der Steuern belegt.

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Dieser Zertifizierungsvorgang wird rund um die Uhr von einer über dem Sicpa-Automaten angebrachten Kamera gefilmt, so dass kein Betrug möglich ist. In den Büros des Schweizer Unternehmens in Togos Hauptstadt Lomé, wo rund 30 einheimische Mitarbeitende tätig sind, zeigen die Kameras die Videobilder in Echtzeit.
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Um die Installation von Sicpa vor Ort zu sehen, wollten wir nach Lomé reisen. Doch unsere Reise kam nicht zustande. Grund: Der Vertreter des togoischen Finanzamts, der den Vertrag mit dem Schweizer Unternehmen unterzeichnet hatte, lehnte einen Besuch ab.

Fest steht: Die Einnahmen des Staats sind gestiegen. Einem Bericht des Wirtschafts- und Finanzministeriums zufolge stiegen die Steuereinnahmen Togos auf Bier und Tabak im Jahr 2021 um 35 Prozent im Vergleich zu den Jahren vor der Installation des "SICPATRACE"-Systems.

Gemäss Schätzungen des togoischen Finanzamts erreichte der illegale Handel in dem Land zuvor ein Volumen von rund 22 Millionen Euro, bei einem Bruttoinlandprodukt von 6,6 Milliarden Euro im Jahr 2020.
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Doch die Präsenz von Sicpa sorgte nicht nur für Enthusiasmus. Denn niemand weiss, wie viel die Behörden für die Installation dieses Projekts bezahlt haben, wie viel sie zurückerhalten und wie hoch die Verwaltungsgebühren des Schweizer Unternehmens sind.

"Der Auftrag für die Produktkennzeichnung wurde ohne Ausschreibung direkt an Sicpa vergeben", sagt Godson Ketomagnan, ein togoischer Journalist, der auf öffentliche Aufträge spezialisiert ist.

"Dabei hat die Regierung eigentlich eine Pflicht zu öffentlichen Ausschreibungen eingeführt, um Korruption zu bekämpfen und Interessenkonflikte zu vermeiden. Wir wissen, dass die direkte Auftragsvergabe Schmiergeldern und anderen Übeln Tür und Tor öffnet."

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Es versteht sich von selbst, dass auch die Profiteure des illegalen Handels wenig Freude an der neuen Zertifizierungspraxis haben. Das gilt auch für die Konkurrenz von Sicpa. Der Erfolg von Sicpa hat im Lauf der Jahre die Tabakkonzerne und besonders die beiden Branchenriesen erbost: Philip Morris International und British American Tobacco. Nach Angaben von Branchenfachleuten, die anonym bleiben wollten, ist zwischen Sicpa und den Tabakriesen ein erbitterter Handelskrieg im Gange.
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Grund: Der US-amerikanische Multi, dessen europäischer Hauptsitz nur wenige Kilometer von Sicpa in Lausanne entfernt ist, teilt sich nicht gerne den Markt: Seit 2007 wirbt er für "Codentify", ein eigenes Programm zur Authentifizierung und Rückverfolgung seiner Zigaretten.
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In diesem zunehmend angespannten Marktklima hat Sicpa begonnen, eine härtere Gangart einzulegen, um die Staatschefs davon zu überzeugen, dem Unternehmen um jeden Preis zu vertrauen.

Sicpa hat sich dabei von den Praktiken der Rohstoffunternehmen inspirieren lassen, die sich in jedem Land auf gut vernetzte Mittelsleute stützen, um in die Zentren der Macht vorzudringen und sich so Zugang zu einem Ölfeld oder einer Baustelle der öffentlichen Hand zu verschaffen.

Sicpa hat inzwischen einen weiten Weg zurückgelegt von der Unschuld seiner Ursprünge, als es mit Melkfett Geld verdiente. Inzwischen spielt das Unternehmen in der obersten Liga. Und dies in einem Markt, in dem es manchmal wichtig ist, Risiken einzugehen.

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Verdacht auf Korruption

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Am 26. Januar 2007 betrat Gloria Macapagal-Arroyo, die damalige Präsidentin der Philippinen, eine Lounge im Hotel Belvedere in Davos. Sie wurde von Hans Schwab, einem leitenden Angestellten der Sicpa und Neffe des Gründers des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, begleitet. Gastgeber des Abends war Sicpa-Erbe Maurice Amon.
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"Vielen Dank, Herr Amon", sagte die Präsidentin in einer kurzen Ansprache, bevor die Vorspeisen serviert wurden. "Ich danke Ihnen für das wunderbare Abendessen, das Sie ausrichten, und für Ihre freundlichen Worte. Obwohl wir noch nicht mit dem Essen begonnen haben, wurde mir gesagt, dass unser Dinner hinsichtlich der Gästeliste und Teilnehmerzahl das beste Geschäftsessen an diesem Forum ist. Herzlichen Dank!"
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Hans Schwab wandte seinen Blick nicht von der Präsidentin ab. Und das aus gutem Grund: Er war für den Verkauf des neuesten Produkts des Unternehmens, "SICPATRACE", auf den Philippinen zuständig. Diese Technologie sollte es ermöglichen, jedes steuerpflichtige Produkt wie Zigaretten oder alkoholische Getränke von der Produktion bis zum Lieferwagen und von den Häfen bis in die Geschäfte in Echtzeit zu verfolgen.

In den Vorschlägen an den philippinischen Finanzminister vertrat Sicpa die Auffassung, dass der Einsatz dieser Technologie die Regierung in die Lage versetzen würde, unter anderem der grassierenden Steuerhinterziehung durch Zigarettenhersteller einen Riegel zu schieben.

Der Verlust für die öffentliche Hand belief sich nach Angaben des Unternehmens auf eine Million Dollar pro Tag. Für 50 Millionen Dollar pro Jahr – bei einer Laufzeit von fünf Jahren – könne Sicpa dem Übel ein Ende setzen, versprach Hans Schwab.

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Das Problem war nur, dass diese Wunderlösung – "SICPATRACE" – zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht einsatzbereit war. Das in Prilly ansässige Unternehmen investierte aber beträchtliche Summen in die Entwicklung dieser Technologie.

Die Verantwortlichen sahen darin die beste Chance, die eigene Zukunft zu sichern, weil der Absatz der Banknoten-Druckfarben, mit denen das Unternehmen reich geworden war, zurückgehen würde. Doch nach vier Jahren hatte Sicpa trotz aller Bemühungen noch keinen einzigen Vertrag unterzeichnet.

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Der erste Versuch, "SICPATRACE" zu verkaufen, erfolgte 2002. Als ersten Kunden umwarb Sicpa den Zigarettenhersteller Philip Morris. Der Plan war, dem Tabakkonzern dabei zu helfen, gegen Imitate vorzugehen und die von vielen Regierungen getroffenen Massnahmen zur Bekämpfung des illegalen Zigarettenhandels einzuhalten.

Sicpa hatte mehrere Millionen Dollar in die entsprechende Forschung und Entwicklung gesteckt. Es sollten unsichtbare Strichcodes auf jeder Zigarettenschachtel angebracht werden, die durch Lesegeräte decodiert werden könnten, die am Ende der Produktionslinie und an den Zollstellen der Einfuhrhäfen installiert werden sollten – und das alles zum Preis von einem Rappen pro Schachtel.

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Doch Sicpa klopfte an die falsche Tür. Philip Morris war der Meinung, dass die "SICPATRACE"-Lösung nicht schnell genug war für eine Produktionslinie, die bis zu 700 Zigarettenschachteln pro Minute herstellen kann. Schliesslich entwickelte der US-Multi seine eigene Technologie, "Codentify". Sicpa wandte sich daraufhin neuen Märkten zu, namentlich Südostasien, wo die Wirtschaft boomte.
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Auch Malaysia war an der Technik von Sicpa interessiert. Im Jahr 2004 wurde der erste Vertrag für die Rückverfolgbarkeit von Tabakwaren abgeschlossen. Der Vertrag in Malaysia wurde von einer lokalen Firma, Liberal Technology, unterzeichnet, für die Sicpa nur als Subunternehmerin tätig war.

Gemäss einem Bericht der University of Illinois und der University of Cape Town aus dem Jahr 2015 wurde der Vertrag in Malaysia in einem "undurchsichtigen" Verfahren ohne öffentliche Ausschreibung vergeben. Unter Berufung auf Insider der Tabakindustrie heisst es in dem Bericht, dass das lokale Unternehmen, das den Auftrag erhielt, mit malaysischen Politikern verbandelt gewesen sei.
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Dieser Versuch zur Rückverfolgbarkeit von Tabakwaren scheiterte. Laut dem erwähnten Bericht von 2015 hat sich die Tabakindustrie der Einführung des Systems in Malaysia "konsequent widersetzt".

Als es 2004 eingeführt wurde, kam es zu einem vorübergehenden Rückgang des illegalen Zigarettenhandels. Doch im darauffolgenden Jahr, als die Zertifizierung eingestellt wurde, nahm dieser illegale Handel wieder zu.
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In den folgenden vier Jahren stieg die Zahl der in Malaysia verkauften, nicht offiziell deklarierten Zigaretten sogar um das 2,5-fache an.
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Im Januar 2007 verfolgten die Erben Philippe und Maurice Amon in Davos ein klares Ziel: Die Verhandlungen mit den Philippinen mussten unbedingt zu einem guten Ende führen. Ein neuer Vertrag wäre nach dem Misserfolg in Malaysia eine grosse Chance, dank dieses gewaltigen Markts wieder Boden gut zu machen.

Ein Dokument, das swissinfo.ch im Rahmen des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip erhalten hat, enthüllt die Hintergründe des berühmten Dinners vom Januar 2007 beim Weltwirtschaftsforum in Davos.

Es stammt aus einer Untersuchung der Schweizer Bundesanwaltschaft gegen Sicpa wegen des Verdachts der Bestechung ausländischer Amtsträger. Diese Strafuntersuchung umfasst Aktivitäten des Unternehmens in mehreren Ländern und wurde 2014 eingeleitet. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

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Das Dokument ist vom September 2020 datiert. Es fasst den Ursprung der bundesanwaltschaftlichen Ermittlungen zusammen und berichtet, dass Maurice Amon und Hans Schwab wenige Monate vor ihrem Besuch des Weltwirtschaftsforums im Jahr 2007 eine geheime Vereinbarung mit Personen trafen, die der philippinischen Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo nahestanden.

Konkret berichtet die Bundesanwaltschaft über ein Treffen von Hans Schwab und Maurice Amon mit Anthony Arroyo, dem Neffen von Jose Miguel Arroyo, dem Ehemann der Präsidentin.

Anthony Arroyo war in Manila besonders gut vernetzt. Neben seiner besonderen Beziehung zum "First Gentleman" der Philippinen konnte er auch auf die Unterstützung eines anderen Onkels zählen. Es handelte sich um Iggy Arroyo, ein damals einflussreicher Kongressabgeordneter.

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Aus dem Dokument geht hervor, dass Anthony Arroyo bei diesem Treffen im Jahr 2006 als Sicpa-Vertreter für ein Monatsgehalt von 5000 Dollar angeworben wurde – ein Betrag, der das durchschnittliche Jahresgehalt auf den Philippinen (3850 Dollar pro Jahr) weit übersteigt. Ausserdem wurde ein "Bonus" von 200’000 Dollar als Erfolgshonorar vereinbart.

Der neue Mitarbeiter sollte Sicpa dabei helfen, "die Beziehungen zu seinem Onkel und dem Präsidenten zu pflegen", heisst es im Bericht der Bundesanwaltschaft. Mehr noch. "Es war zu diesem Zeitpunkt klar, dass ein Teil des Auftrags an José Miguel Arroyo gehen sollte", heisst es in dem Schweizer Justizdokument.

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Mit anderen Worten: Sicpa bereitete die Zahlung eines Bonus an den Ehemann der philippinischen Präsidentin als Gegenleistung für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags vor, was laut Bundesanwaltschaft den Straftatbestand der "Bestechung eines ausländischen Amtsträgers" erfüllen könnte. Es handelt sich um eine Straftat, die nach dem Schweizer Strafgesetzbuch mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft wird.

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft war der Pakt mit der Familie Arroyo nicht auf die "SICPATRACE"-Lösung beschränkt. Drei Jahre später, im Jahr 2009, wurde ein neuer Vertrag über die Lieferung von Druckfarben an die philippinische Zentralbank abgeschlossen.

Geplant war ein neues "Erfolgshonorar", das diesmal wesentlich höher ausfallen sollte. Laut einem Dokument, das swissinfo.ch vorliegt, belief sich diese neue Prämie auf drei Millionen US-Dollar pro Jahr. Und dies über sechs oder sieben Jahre, was genau der Dauer des Liefervertrags für die Druckfarben entsprach.

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Doch trotz dieser Bemühungen liefen die Dinge in Manila nicht wie vorgesehen. Hinter vorgehaltener Hand heisst es bei Sicpa, das Unternehmen sei Opfer einer Verleumdungskampagne der grossen Zigarettenproduzenten unter dem Lead von Philip Morris geworden.

Wie schon einige Jahre zuvor in Malaysia gab es auf der Gegenseite eine intensive Lobbyarbeit, um das "SICPATRACE"-Projekt zu verhindern. Hans Schwab verteidigte das Sicpa-System in der philippinischen Presse und vor einem Parlamentsausschuss, jedoch ohne Erfolg.

Nach Sicpa boten zwei Konkurrenten der philippinischen Regierung ihre jeweilige Sicherheitsmarkierungslösung an. Dabei handelte es sich um ein kleines, völlig unbekanntes chinesisches Unternehmen sowie die mächtige Philip Morris and Fortune Tobacco Corporation.

Dieses lokale Joint Venture, das Philip Morris mit dem chinesisch-philippinischen Milliardär Lucio Tan gegründet hat, kontrolliert mehr als 90 Prozent des Tabakmarkts auf den Philippinen.
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Kurz darauf legte die philippinische Regierung den Schweizer Vorschlag definitiv ad acta. Die Leiterin des philippinischen Finanzministeriums, Kim Henares, kritisierte später die von Sicpa vorgeschlagene Lösung. "Obwohl die Technologie nützlich war, erwies sie sich als zu anspruchsvoll und zu teuer für unsere Bedürfnisse", sagte sie. "Das ist so, als würde man uns einen Rasenmäher anbieten, obwohl wir nur eine einfache Machete oder einen Bolo brauchen."

Die Philippinen führten 2014 schliesslich ihr eigenes System zur Kennzeichnung von Zigaretten ein, konnten aber den illegalen Handel nicht effektiv eindämmen.
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Hans Schwab, der Sicpa-Mann in Manila, verliess das Unternehmen im Jahr 2009. Seine Verbindungen zur Präsidentschaft waren nicht mehr viel wert. Der Gatte der Präsidentin, José Miguel Arroyo, wurde von Korruptionsvorwürfen so sehr bedrängt, dass er das Land verlassen musste.

Seine Ehefrau Gloria Macapagal-Arroyo hielt nicht mehr lange durch und schied 2010 aus dem Amt aus. Im Jahr darauf wurde sie unter dem Vorwurf des Wahlbetrugs und der Unterschlagung verhaftet.

Bis heute ist nicht klar, ob die zwischen Sicpa und den Verwandten von Präsidentin Gloria Macapal Arroyo vereinbarten "Erfolgshonorare" jemals ausgezahlt wurden. Die Bundesanwaltschaft weigerte sich ebenso wie das Unternehmen selbst, sich zu dieser Angelegenheit zu äussern.

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Durchzogene Bilanz in Brasilien

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Für Sicpa war es bitter, den Auftrag in den Philippinen nicht ergattert zu haben. Doch das Unternehmen hatte sich bereits auf Ausschau nach neuen Grosskunden gemacht. Eine gute Gelegenheit bot sich auf der anderen Seite der Welt – in Brasilien.

Im Jahr 2007 erhielt Sicpa dort den Zuschlag für einen Vertrag über die Rückverfolgbarkeit von Tabakwaren. Die brasilianische Regierung erwog zudem, auch alkoholische und alkoholfreie Getränke für die Steuerabgaben mit fälschungssicheren Sicherheitsmarken zu versehen.

Es bot sich also eine grosse Chance: Der illegale Handel in der Getränkebranche kostete den Staat Milliarden von Dollar. Im Jahr 2003 wurde der Wert der hinterzogenen Steuern bei alkoholfreien Getränken auf 30 Prozent des Gesamtumsatzes und bei Bier auf 15 Prozent geschätzt.

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Sicpa betraute Charles Finkel mit der neuen Aufgabe in Brasilien. Er war der ehemalige Executive Vice President des Unternehmens in den USA und in dieser Funktion regelmässiger Gast am Hauptsitz des Unternehmens in Prilly. Er war ein Vertrauter und Freund von Maurice und Philippe Amon.

Sicpa stellte Finkel als privaten Berater an. Er hatte das ideale Profil für die Mission. Er kannte Brasilien gut und hatte dort viele Jahre gearbeitet. Parallel zu seiner Tätigkeit für Sicpa war er als Berater für sein eigenes Unternehmen tätig, die CFC Consulting Group.

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Im Jahr 2008 unterzeichnete die brasilianische Tochtergesellschaft von Sicpa den "SICOBE"-Vertrag mit Casa da Moeda, dem staatlichen Unternehmen, das für den Druck von Geld und Steuermarken zuständig ist.

Für Sicpa handelte es sich um den Vertrag des Jahrhunderts: Ein Vertrag über 3,3 Milliarden Real (fast 2 Milliarden Franken), um die Rückverfolgbarkeit aller in Brasilien verkauften Bier- und Softgetränkeflaschen zu verbessern.

Das Sicpa-System in Brasilien war allerdings teuer und komplex. Anstatt die Etiketten an den Flaschen von Hand in den Fabriken anzubringen, mussten die Getränkehersteller Maschinen in ihre Produktionslinien einbauen, die jede Flasche automatisch etikettierten.

Nichts wurde dem Zufall überlassen. Laut einer von der Getränkelobby finanzierten Studie stiegen die Steuereinnahmen in Brasilien nach der Einführung des "SICOBE"-Systems um 20 Prozent an.
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Doch im Jahr 2015 wurde die Situation in Brasilien für Sicpa brenzlig. Die brasilianische Bundespolizei leitete eine Untersuchung gegen die Casa da Moeda ein, eine Institution, die bereits von mehreren Korruptionsskandalen erschüttert worden war.

Innerhalb von wenigen Monaten deckte die Operation Vicios die Aktivitäten von Sicpa auf, die zum "SICOBE"-Vertrag geführt hatten. Die Untersuchungsergebnisse waren für das Schweizer Unternehmen verheerend.
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Laut dieser Untersuchung zahlte der Vizepräsident von Sicpa nicht weniger als 15 Millionen Dollar an Bestechungsgeldern an den Bundessteuerinspektor Marcelo Fisch. Fisch war von der Casa da Moeda zum Sachverständigen für die bestmögliche Vertragslösung ernannt worden.

Die Bestechungsgelder liefen angeblich über ein Bankkonto seiner Frau, und zwar in Form von monatlichen Überweisungen in Höhe von 250’000 Dollar. Und dies über einen Zeitraum von fünf Jahren, von 2009 bis 2015. Das Geld stammte von Finkels Beratungsunternehmen, der CFC Consulting Group.

Finkel war nicht einfach irgendein Berater. Anstatt die Bestechungsgelder als "Provisionen" an Verwandte von Regierungsmitgliedern zu tarnen, überliess das Unternehmen Finkel laut der brasilianische Bundesstaatsanwaltschaft die gesamten Verhandlungen sowie die Zahlung der Schmiergelder an Fisch. Indem er über seine Beratungsfirma handelte, soll der Geschäftsmann erhebliche Risiken eingegangen sein.

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Laut Sicpas Verteidigern zahlte Finkel die 15 Millionen Dollar aus der eigenen Tasche. Auf Nachfrage erklärte das Unternehmen, der Amerikaner habe "als Berater und auf private Initiative" gehandelt.

Eine Quelle sagte, der Betrag sei dann von einer hohen Provision abgezogen worden, die Sicpa als Belohnung für seine Bemühungen um den "SICOBE"-Auftrag bezahlt hatte. Der Gesamtbetrag dieser Provision ist aber nicht bekannt.
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Gegenüber swissinfo.ch bleibt Sicpa bei seiner Version der Geschehnisse. Das Unternehmen erklärte: "Die vorschriftswidrigen Zahlungen wurden von Dritten ohne die Beteiligung, das Wissen oder die Absicht von Sicpa getätigt."

Im Weiteren heisst es, "dass diese Zahlungen die Gültigkeit der in Brasilien unterzeichneten Verträge nicht in Frage stellen und keine Gründe für eine strafrechtliche Haftung des Unternehmens oder seiner Führungskräfte darstellen".

Im Jahr 2016 wurde der "SICOBE"-Vertrag nicht verlängert. Die von Sicpa in den Fabriken installierten Maschinen wurden abgeschaltet, und die Getränkehersteller mussten schnell wieder zum alten manuellen System zurückkehren. Für das Schweizer Unternehmen war das eine Katastrophe. Im Juni 2017 kündigte Sicpa 150 Entlassungen in der Zentrale in Prilly und 850 in Brasilien an.

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Im Jahr 2019 wurde Finkel von einem brasilianischen Gericht wegen Korruption zu elfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Er legte Berufung ein und wurde schliesslich freigesprochen. Schon vor dem Freispruch unterzeichnete Sicpa am 7. Juni 2021 ein "Gnadenabkommen" mit dem Büro des Generalkontrolleurs der Union, einer Verwaltungseinheit zur Korruptionsbekämpfung. Sicpa erklärte sich bereit, 135 Millionen Franken als "Wiedergutmachung" zu zahlen. In der Schweiz liegt die Höchstgeldstrafe für Korruption für ein Unternehmen bei fünf Millionen Franken.

In einer am selben Tag veröffentlichten Erklärung räumte Sicpa seine "objektive Verantwortung für Unregelmässigkeiten im Zusammenhang mit bestimmten Zahlungen" ein. Zugleich bestritt das Unternehmen aber, dass "die fraglichen Verträge in betrügerischer Weise zustande gekommen sind".

Laut dem in Prilly ansässigen Unternehmen wurde "keine Beteiligung, Kenntnis oder Absicht seitens Sicpa in Bezug auf diese in Brasilien getätigten Zahlungen festgestellt". Dank der aussergerichtlichen Einigung erhielt Sicpa indes das Recht zurück, sich erneut um Aufträge in Brasilien zu bewerben.
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Im Mai 2022 sprach die brasilianische Justiz schliesslich sowohl Charles Finkel als auch den ehemaligen Steuerbeamten Marcelo Fisch frei. Beide hatten gegen ihre Verurteilungen aus dem Jahr 2019 Berufung eingelegt. Die Richter des Appellationsgerichts von Rio de Janeiro waren der Ansicht, dass der ehemalige Beamte zu Unrecht verurteilt worden war, weil die Korruptionshandlungen die Casa da Moeda betrafen. Fisch war ein unabhängiger Experte und kein Angestellter dieser Institution.

Finkels Anwalt, Marcelo Bessa, meldete sich umgehend nach dem Freispruch in der brasilianischen Presse zu Wort und begrüsste das Urteil, das seiner Meinung nach bestätigte, "dass im konkreten Fall keinerlei kriminelle Straftat vorlag".

In einer abweichenden Stellungnahme, die zusammen mit dem Urteil veröffentlicht wurde, vertrat einer der drei Berufungsrichter die Ansicht, "dass die materielle und die kriminelle Urheberschaft" von Fisch für den Deal hinreichend nachgewiesen seien. Er spielte demnach eine "entscheidende Rolle bei der Auftragsvergabe an die Firma Sicpa durch Casa da Moeda (…) im Gegenzug für eine unzulässige Vergütung in Höhe von mehreren Millionen".
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Fisch, so der Richter, habe es Sicpa ermöglicht, sein Angebot genauso zu formulieren, dass es exakt der Ausschreibung von Casa da Moeda entsprach, namentlich mit Hilfe einer technischen Machbarkeitsstudie. Seine beiden Kollegen folgten dieser Argumentation nicht und beschlossen, Fisch freizusprechen. Begründung: Wenn niemand eine Bestechung angenommen habe, könnte auch niemand ein Bestechungsgeld bezahlt haben. Finkel profitierte also von dem Entscheid der Mehrheit des Berufungsgerichts.

"Wir freuen uns über den Entscheid des Gerichts, Herrn Finkel und Herrn Fisch der Bestechung für nicht schuldig zu erklären", erklärte seinerseits Sicpa. "Dieser Entscheid bedeutet, dass die Anschuldigungen gegen Sicpa im Verfahren gegen unseren ehemaligen brasilianischen Berater unbegründet waren. Eine Position, die wir immer vertreten haben."

Der brasilianische Entscheid könnte das laufende Ermittlungsverfahren der Schweizerischen Bundesanwaltschaft gegen das Unternehmen und seinen Direktor Philippe Amon entkräften. Ursprünglich ging es dabei um die Aktivitäten des Unternehmens in 14 Ländern. Nach Angaben von Sicpa ist diese Zahl nun auf vier gesunken, darunter Kolumbien und Brasilien. Die Bundesanwaltschaft lehnte es ab, sich zum laufenden Verfahren zu äussern.

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Strafuntersuchung in der Schweiz

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Die Probleme von Sicpa mit der Justiz beschränkten sich nicht auf Brasilien. Zwischen 2009 und 2014 gerieten die Aktivitäten des Unternehmens in mehreren Ländern in den Fokus der Behörden. Diese Verdachtsmomente überzeugten schliesslich die Schweizer Bundesanwaltschaft, eine eigene Strafuntersuchung einzuleiten. Der Auslöser für die Schweizer Ermittlung gegen Sicpa kam überraschenderweise aus den Vereinigten Staaten.

Ende 2014 hatte das US-Justizministerium ein kurioses Dokument an die Schweizer Justizbehörden geschickt: einen "Entwurf" für ein Rechtshilfeersuchen. Normalerweise übermitteln ausländische Behörden, welche die Schweiz um Rechtshilfe bitten, direkt ein vollständiges Ersuchen, an das sich möglicherweise weitere Abklärungen anschliessen. In diesem Fall ging das US-Justizdepartement nicht so weit. Es begnügte sich damit, der Schweiz Informationen über die Aktivitäten von Sicpa zukommen zu lassen.

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Dieses Rechtshilfegesuch aus den USA, dessen Existenz in dem bereits erwähnten Dokument der Bundesanwaltschaft vom September 2020 erwähnt wird, schlug ein wie eine Bombe. Das Justizministerium beschreibt darin Details vom Treffen, das Maurice Amon und Hans Schwab mit Anthony Arroyo einige Monate vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2007 hatten: Namen, Daten, Orte und die Höhe der zwischen der Sicpa und Repräsentanten von Präsidentin Gloria Arroyo vereinbarten "Provisionen".

Auf der Grundlage dieser Informationen aus den Vereinigten Staaten leitete die Bundessanwaltschaft Anfang 2015 eine Untersuchung gegen Sicpa wegen des Verdachts auf "Korruption ausländischer Amtsträger" ein. Die Untersuchung richtete sich auch gegen Hans Schwab.

Ungewöhnlich ist jedoch, dass auf den "Entwurf" des Rechtshilfeersuchens aus den Vereinigten Staaten gemäss unseren Recherchen nie ein formelles Ersuchen folgte. Es war auch nicht möglich, den Kontext zu ermitteln, in dem sich die amerikanischen Behörden für Sicpa und seine Aktivitäten auf den Philippinen interessierten. Auf Nachfrage bestätigte die Bundesanwaltschaft lediglich, dass die Ermittlungen gegen Sicpa "auf der Grundlage von Informationen aus einem Rechtshilfeersuchen" eingeleitet worden waren.

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Die Ermittlungen in der Schweiz nahmen dank einer neuen Entwicklung an Fahrt auf. Im Jahr 2015 meldete sich das Lausanner Unternehmen KBA-Notasys bei der Bundesanwaltschaft. Dieses hat seinen Sitz nur einige Häuserblocks entfernt von Sicpa in Prilly. Es stellt Banknoten-Druckmaschinen her und war ein langjähriger Partner von Sicpa.

KBA-Notasys wurde 1959 in Lausanne von Gualtiero Giori mit der Unterstützung von Albert Amon gegründet. Im Jahr 2001 wurde das Unternehmen von der deutschen Industriegruppe Koenig & Bauer übernommen, die auf Hightech-Sicherheitsdruck von Banknoten und Wertpapieren spezialisiert ist.
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KBA-Notasys hat gegenüber der Bundesanwaltschaft zugegeben, zwischen 2008 und 2015 in Marokko, Brasilien, Nigeria und Kasachstan Schmiergelder in zweistelliger Millionenhöhe gezahlt zu haben. Mit diesem Eingeständnis hoffte die Firma, das Verfahren gegen sich rasch zu beenden und mit einer milden Strafe davonzukommen. Das Unternehmen legte die Karten auf den Tisch und zahlte zwei Jahre später 30 Millionen Schweizer Franken, damit die Ermittlungen eingestellt werden.

Doch bei der Prüfung der Bankdaten von KBA-Notasys entdeckten die Ermittler des Bundes Verbindungen zum Nachbarn Sicpa. Sie fanden heraus, dass die beiden Unternehmen in mehreren Ländern dieselben Berater eingesetzt hatten, um Bestechungsgelder für lokale Beamte einzufädeln.

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Die Bundesanwaltschaft wurde stutzig, auch in Folge eines Hinweises der amerikanischen Behörden, der zwei Jahre zuvor eingetroffen war. Im Herbst 2016 kam es zu einer Durchsuchung des Sicpa-Hauptsitzes. Bei dieser Aktion wurden die E-Mails von einem Dutzend Kaderpersonen sichergestellt, darunter diejenigen von Philippe Amon, Hans Schwab und mehreren Regionalleitern.

In Folge dieser Haudurchsuchung wurde die Schweizer Strafermittlung auf 12 weitere Märkte ausgedehnt: Togo, Ghana, Ägypten, Indien, Kasachstan, Kolumbien, Nigeria, Pakistan, Senegal, Vietnam, Venezuela und Ukraine. Brasilien und die Philippinen befanden sich bereits auf der Liste.

Im September 2020 wurde der Teil der Ermittlung eingestellt, der Hans Schwab betraf. Einige Monate später liess die Bundesanwaltschaft aber eine neue Bombe platzen: Am 14. Juni 2021 bestätigte sie gegenüber Gotham City, einer auf Finanzkriminalität spezialisierten Schweizer Nachrichtenseite, dass die Ermittlungen auch "den Eigentümer und derzeitigen CEO von Sicpa" betreffen. Will heissen: Philippe Amon.
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Strafrechtliche Ermittlungen gegen den Geschäftsführer eines Schweizer Unternehmens wegen des Verdachts der Bestechung ausländischer Amtsträger sind sehr selten. Unseres Wissens ist dies erst ein einziges Mal vorgekommen. Der Präsident der Basler Ameropa Holding wurde 2016 wegen Schmiergeldzahlungen in Libyen verurteilt, allerdings nur als Komplize bei einer Bestechung.

Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft in dieser Sache dauern an. Es gilt die Unschuldsvermutung, sowohl für Sicpa als auch für deren Direktor.

Das Unternehmen verspricht, dass es mit den Ermittlern des Bundes "voll und ganz kooperiert", streitet aber jede Verantwortung ab. "Wir bestreiten, dass unser Unternehmen an einem illegalen Verhalten eines unserer externen Berater beteiligt war oder davon Kenntnis hatte", heisst es bei Sicpa. "Wir sind zuversichtlich, dass die Ermittlungen beweisen werden, dass unser Unternehmen und unser Generaldirektor nicht strafrechtlich haftbar sind."

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Nach Angaben von Sicpa hat sich die Ermittlung der Bundesanwaltschaft auf vier Länder reduziert, darunter Brasilien und Kolumbien (die beiden anderen Länder werden nicht genannt). Die Bundesanwaltschaft bestätigte, dass sie die Aktivitäten von Sicpa in diesen beiden lateinamerikanischen Märkten untersucht, kann aber nicht die genaue Zahl der Länder nennen, in denen gegen Sicpa ermittelt wird.

Auf Anfrage von swissinfo.ch lehnte Hans Schwab eine Stellungnahme zu den Vorgängen ab. Gemäss unseren Informationen sollen die E-Mails und Dokumente, welche die Bundesanwaltschaft bei ihrer Razzia in den Geschäftsräumen von Sicpa beschlagnahmt hat, aufzeigen, dass Schwab sich gegen Zahlungen an einige der erwähnten Berater ausgesprochen hatte.

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Die Familie fällt auseinander

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"Wo sind eigentlich die Frauen?" Diese Frage stellt sich angesichts der Namen und Persönlichkeiten, die im Lauf der Jahrzehnte die Geschichte von Sicpa geschrieben haben. Die männliche Linie, die mit Gründer Maurice Amon begonnen hatte, wurde durchgehend weitergeführt. Mit jeder neuen Generation wurde nur einer der Erben ausgewählt – und niemals eine Frau.

Diese Weitergabe der Führungsverantwortung von Mann zu Mann begann nach dem Zweiten Weltkrieg, als Albert Amon seinem Vater an die Spitze des Unternehmens folgte. Sein Bruder Salvador übernahm nie die Firmenleitung, obwohl er ein Familienmitglied war – er hatte lediglich einen Sitz im Verwaltungsrat.

Niemand konnte oder wollte die Frage beantworten, warum Salvador an den Rand gedrängt wurde. Schliesslich ist Sicpa nicht börsenkotiert, und die Eigentümer können nach eigenem Gutdünken Entscheide treffen.

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Albert leitete das Unternehmen lange Zeit, und es florierte unter seiner Führung. Mit seiner Frau Claudie, die sich wie schon ihre Schwiegermutter um den Haushalt kümmerte, hatte er drei Kinder: Maurice, Philippe und Monique. 1996, nach einem halben Jahrhundert Arbeit, ging er in den Ruhestand. Er starb im Jahr 2010.

Da seine Tochter keine professionellen Ambitionen zu haben schien, stritten sich seine beiden Söhne um die Nachfolge. Sie leiteten das Unternehmen fünf Jahre lang gemeinsam.

Doch die Beziehung zwischen den beiden Brüdern war kompliziert, wie eine der Familie nahestehende Person erklärte. Maurice war ein grossherziger Mann, der gerne reiste und mit Freunden feierte. Er war dreimal verheiratet und reiste im Namen von Sicpa um die Welt, wobei er den Glamour im Fürstentum Monaco dem Leben am Genfersee vorzog.

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Am Silvesterabend 2007 lernte Maurice in der Lobby eines Hotels in Gstaad die Kalifornierin Tracey Hejailan kennen. Er war gerade dabei, sich zum zweiten Mal scheiden zu lassen. Und die 30-Jährige hatte ihrerseits soeben eine komplizierte Scheidung mit einem saudischen Geschäftsmann hinter sich. Es war Liebe auf den ersten Blick.

Amon und Hejailan heirateten in Hongkong. Was folgte, war ein Jetset-Leben in teuren Häusern mitsamt Shoppingtouren für Meisterwerke der bildenden Kunst und extravagantem Schmuck. Das Paar sorgte für Schlagzeilen in den Promi-Magazinen.

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Sie posierten auf VIP-Partys und gaben zahlreiche Empfänge in ihrem riesigen Chalet in Gstaad. Laut der Zeitschrift Capital gab das Paar in diesen verrückten Jahren zwischen 500 und 700 Millionen Euro aus – alles Geld aus dem Sicpa-Erbe.
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Doch dieses verrückte Leben dauerte nicht ewig. Im September 2015 reichte Maurice in Monaco die Scheidung ein. Tracey Hejailan war auf der Hut. Da sie befürchtete, dass die rechtliche Situation im Fürstentum Monaco für sie nachteilig sein könnte, focht sie die Zuständigkeit der monegassischen Gerichte an. Sie versuchte, das Scheidungsverfahren nach New York zu verlegen, wo sie lebte.

Die internationale Presse berichtete genüsslich über die Geschichte, die sich zu einer Seifenoper entwickelte. Für die Familie Amon, die seit Generationen auf Diskretion bedacht war, waren diese Schlagzeilen zu viel des Guten.
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Im Jahr 2015 entschieden die beiden Brüder, in ihren geschäftlichen Angelegenheiten getrennte Wege zu gehen. Philippe sollte das Familienunternehmen weiterführen, während Maurice ausbezahlt würde. Das Unternehmen erklärte später, dass Maurice Amon "sich schrittweise aus dem Familienimperium zurückgezogen hat und im März 2015 aus dem Verwaltungsrat des Unternehmens ausgeschieden ist". Die Kontrolle des Unternehmens habe er in harmonischer Weise seinem Bruder Philippe überlassen. Er soll im Gegenzug die gigantische Summe von mehr als einer Milliarde Franken erhalten haben.

Hinter dieser Geschichte einer angeblich harmonischen Trennung zwischen den beiden Erben könnte sich jedoch eine andere Realität verbergen. Im Jahr 2019 wurde durch ein Urteil des Bundesgerichts bekannt, dass Philippe Amon seinen Bruder Maurice Anfang 2015 entlassen hatte. Philippe beschuldigte Maurice, Geschäftsaktivitäten in Konkurrenz zu Sicpa entfaltet zu haben, ohne den Verwaltungsrat darüber zu informieren. Mehr noch: Maurice hatte in ein Unternehmen für kontaktlose Bezahlungen ("cashless") namens "GoSwiff" investiert. Dieses digitale und bargeldlose Zahlungssystem stellte aber eine Konkurrenz zur Haupteinnahmequelle des Familienunternehmens dar: zum Druck von Banknoten.
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"Du kannst nicht so tun, als wüsstest Du nicht, dass die Abteilung 'Sicherheitsdruckfarben' eine der Säulen der Gruppe ist und dass 'bargeldlose' Zahlungsmittel eine ernsthafte Bedrohung für diese darstellen", schrieb Philippe Amon seinem Bruder Maurice in dem Entlassungsschreiben, das im Urteil des Bundesgerichts vom 29. August 2019 ausführlich zitiert wird.

"Die Sicpa-Gruppe lebt vom Erhalt und der Entwicklung des Banknotenumlaufs und ist darauf angewiesen", so Philippe Amon weiter. "Alle bargeldlosen Lösungen sind für uns daher nachteilig, besonders wenn sie von den Kunden von Sicpa umgesetzt werden. Es besteht also ein schwerwiegender und unbestreitbarer Interessenkonflikt mit Deiner Position als Angestellter und Direktor bei Sicpa."
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Der Streit zwischen den Brüdern war erbittert. 2018 hatte ein Waadtländer Gericht zu Gunsten von Maurice Amon entschieden und das Unternehmen zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 10,6 Millionen Franken verurteilt. Das Gericht stellte fest, dass Maurice Amons Nebentätigkeiten zweifellos eine Verletzung seiner Treuepflicht gegenüber dem Unternehmen darstellten und seine Entlassung rechtfertigten. Philippe Amon, der seit 2014 über diese Nebentätigkeiten informiert war, handelte jedoch erst 2015. Durch die verspätete Reaktion habe Sicpa das Recht verwirkt, seinen "Mitarbeiter" mit sofortiger Wirkung zu entlassen, urteilte das Gericht.

Sicpa focht das Urteil vor Bundesgericht an, kam aber nicht zum erhofften Erfolg. Die Berufung wurde abgewiesen. Für Maurice Amon war das letztinstanzliche Urteil in dieser Angelegenheit hingegen ein Erfolg. Es fiel zu seinen Gunsten aus. Nur kam es etwas zu spät: Am 26. Juli 2019 starb er in St. Tropez im Alter von 68 Jahren an einem Herzinfarkt, gut einen Monat vor der Publikation des Urteils.

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Der digitale Widerspruch

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Der heftige Schlagabtausch zwischen den beiden Brüdern Maurice und Philippe Amon im Jahr 2019 macht deutlich, wie stark die Angst vor einem Rückgang des Banknotenumlaufs das Unternehmen belastete. Diese Bedrohung zeichnete sich seit Anfang der 2000er-Jahre ab. Das Wachstum des digitalen Zahlungsverkehrs auf der ganzen Welt stellte eine grosse Gefahr für Sicpa dar. Denn die Einnahmen des Unternehmens entsprachen in der Vergangenheit praktisch der Anzahl der von den Zentralbanken gedruckten Banknoten.

Um auf diese Entwicklung zu reagieren, sah sich Sicpa gezwungen, zu diversifizieren. Zuerst kamen die Zertifizierungen von Tabak und Getränken mit Verträgen in Brasilien (2007), Kanada (2008) und Kalifornien in den USA (2020). Dann gelang dem Unternehmen der Durchbruch in Afrika mit Verträgen in Marokko (2010), Kenia (2013), Uganda (2018) und schliesslich Togo im Jahr 2020.
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Ab 2016 weitete Sicpa seine Produktepalette zudem auf neue Geschäftsbereiche aus. In Dubai beispielsweise ermöglicht die Sicpa-Technologie seither die Rückverfolgbarkeit von Wasserflaschen, um sicherzustellen, dass sie nicht unter Verstoss der Gesundheits- und Hygienevorschriften wieder aufgefüllt werden.

Im selben Jahr arbeitete das Unternehmen in der Schweiz mit dem Pharmaunternehmen Clariant zusammen, um die Echtheit und Fälschungssicherheit von dessen chirurgischen Instrumenten zu zertifizieren. 2018 gewann Sicpa eine Ausschreibung in der Türkei für das Ticketing von 54 Museen, darunter der berühmte Topkapi-Palast in Istanbul.
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Für einen Betrag von 16 Millionen Dollar erwarb Sicpa 2016 zudem das kanadische Unternehmen Global Fluids International und stiess somit in eine weitere Branche vor, in der es um eine Technologie zur Rückverfolgung von Erdölprodukten auf molekularer Ebene geht. Dieser chemische Prozess ermöglicht es, Betrug bei der Raffination, der Verarbeitung oder dem Vertrieb von Öl aufzudecken. Wenn beispielsweise eine Lieferung verdünnt wurde, lässt sich mit dieser Technologie der Punkt in der Lieferkette zurückverfolgen, an dem die Vermischung stattgefunden hat. Diese Lösung zur Rückverfolgbarkeit von Erdöl kommt in Uganda, Tansania und Kenia zum Einsatz.

2017 ging das Unternehmen zudem eine Partnerschaft mit der estnischen Firma Guardtime ein, die an Lösungen für ein E-Government in ihrem Heimatland arbeitete. 2022 führte diese Zusammenarbeit zu einem Vertrag mit dem Kanton Jura, um die Sicherheit digitaler amtlicher Dokumente zu gewährleisten. Dieses System namens Certus ermöglicht es beispielsweise, Auszüge aus Gerichtakten, die von Bürgerinnen und Bürgern mittels eines QR-Codes angefordert werden, zu schützen.
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Nicht alle Initiativen waren von Erfolg gekrönt. Im Jahr 2021 erlitt Sicpa einen herben Rückschlag mit dem Entwurf für ein digitales Covid-Zertifikat. Die Firma hatte sich mit dem Lausanner Informatikunternehmen "ELCA" zusammengetan, um dem Bundesamt für Gesundheit ein Angebot zu unterbreiten.

Die Lösung basierte auf der Certus-Technologie, war dezentralisiert und durch eine Blockchain gesichert. Die Schweizer Regierung beschloss aber schliesslich, auf eine Hauslösung zu setzen und übertrug die Entwicklung des digitalen Impfpasses dem Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT).

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Die Diversifizierungsstrategie wurde ab 2016 in hohem Tempo umgesetzt. Doch zahlten sich diese Anstrengungen am Ende aus? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Das Unternehmen veröffentlicht keine Bilanz mit einer Gewinn- und Verlustrechnung.

Es kam dabei jedoch zu unerwarteten Entwicklungen. Gut fünf Jahre nach dem Start der Diversifizierung und drei Jahre nach der Entlassung von Maurice Amon durch seinen Bruder Philippe, der ihm vorwarf, die Zukunft des Familienunternehmens durch Investitionen in ein Unternehmen für elektronischen Zahlungsverkehr zu gefährden, läuft das traditionelle Geschäft von Sicpa, die Herstellung von Banknotenfarben, nicht nur wie geschmiert, sondern besser denn je.

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Zentralbankerinnen und -banker sprechen von einem "Banknoten-Paradoxon", einem Phänomen, das sich in vielen Ländern und Märkten beobachten lässt. Unter anderem in Europa, den Vereinigten Staaten, Australien und Singapur hat die Nachfrage nach Bargeld weiter zugenommen. Das ist erstaunlich, denn in diesen Regionen werden Banknoten immer seltener für die Abwicklung von Werttransaktionen verwendet.

Kontaktlose Karten, Zahlungsapps und der elektronische Handel haben dazu geführt, dass in den Portemonnaies immer seltener Geldscheine anzutreffen sind. In diesem Sinn hatte Sicpa durchaus Recht. Aber niemand machte eine Vorhersage, dass parallel zum kontaktlosen Zahlungsverkehr auch die Zahl der in Umlauf befindlichen Banknoten drastisch ansteigen würde.

In einem Bericht aus dem Jahr 2021, der sich mit diesem Paradoxon befasst, erklärte die Europäische Zentralbank, dass sich der Wert aller im Umlauf befindlichen Euro-Banknoten Ende 2020 auf 1,435 Billionen Euro (1,42 Bio. Fr.) belief, was einem Anstieg von 11 Prozent gegenüber 1,293 Billionen Euro im Jahr 2019 entspricht. Die Coronavirus-Krise hat diesen Aufwärtstrend noch verstärkt.
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In ähnlicher Weise stieg der Gesamtwert der im Umlauf befindlichen US-Dollar allein im Jahr 2020 um 16 Prozent an und überstieg erstmals die Grenze von zwei Billionen US-Dollar. Das entspricht einer Vervierfachung innerhalb von zwei Jahrzehnten. Die starke Nachfrage nach Bargeld konzentriert sich auf Banknoten mit hohem Nennwert, wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Jahr 2019 feststellte.

"Der hohe Anteil der grossen Notenabschnitte deutet darauf hin, dass Banknoten nicht nur als Zahlungs-, sondern in erheblichem Umfang auch als Wertaufbewahrungsmittel verwendet werden", stellte die SNB fest. Zudem kam sie zum Schluss, "dass dieses Phänomen seit der Jahrtausendwende und den jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrisen deutlich zugenommen hat".

Viele Haushalte in reichen Ländern nutzen kaum noch Bargeld für den Zahlungsverkehr, ziehen es aber offenbar vor, ihre Ersparnisse in Banknoten unter ihrer Matratze oder an anderen Orten aufzubewahren.
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Laut der britischen Wochenzeitung The Economist könnten auch kriminelle Aktivitäten für das Horten von Banknoten mit hohem Nennwert eine Rolle spielen, etwa Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder Drogenhandel.

Sicpa können die genauen Gründe für dieses Paradoxon egal sein. Das Unternehmen verdient an jeder neu gedruckten Banknote. Und je mehr davon gedruckt werden, desto mehr profitiert das Unternehmen.
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Fazit

Fast hundert Jahre sind vergangen seit dem genialen Einfall von Maurice Amon, die Eigenschaften von Melkfett für den Sicherheitsdruck zu nutzen und sein Unternehmen so zu neuen Horizonten zu führen. Diese Erfindung des Firmengründers und -patriarchen ist bis heute der Motor des Familienunternehmens. Die seit 2016 eingeleiteten Diversifizierungen haben es ermöglicht, neue Märkte zu erschliessen. Die Geschäftspraktiken des Unternehmens scheinen sich zu modernisieren und allmählich mit der Zeit zu gehen.
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Im Juli 2021 kündigte Sicpa die Einstellung von Jean-Philippe Gaudin an, ehemaliger Direktor des schweizerischen Nachrichtendiensts, als Direktor für strategische Angelegenheiten (Strategic Affairs Director). Unternehmen und Staaten seien heutzutage von vielfältigen und noch nie dagewesenen Bedrohungen geprägt, heisst es in der Medienmitteilung zu dieser Ernennung.

Und weiter: "Sicpa war schon immer bestrebt, seinen staatlichen und institutionellen Kunden Sicherheitstechnologien und -lösungen anzubieten, die ihre Souveränität ermöglichen und stärken." Die Zukunft wird zeigen, ob das Unternehmen dieses Versprechen einhalten und sich das angestrebte Vertrauen ohne weitere Kontroversen sichern kann.
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Impressum

Recherche und Text: François Pilet und Marie Maurisse

Multimedia-Produktion: Helen James und Carlo Pisani

Edition: Dominique Soguel und Virginie Mangin

Infografik: Kai Reusser

Projektkoordination: Dominique Soguel

Übertragung aus dem Englischen: Gerhard Lob

Bilder: Yanick Folly (Togo), Pascal Staub (Illustration), Drohnenaufnahmen (Rechte vorbehalten), Reuters, SRG SSR / SWI swissinfo.ch, Keystone, Swisscastles, Chalamy.com, Getty Images, Sicpa, Wikimedia/Commons, Agenturen, Fotogramma, Gotham City






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