Einführung
Salz in der Schweiz, so alltäglich und doch so wichtig
Eine Reise in die Produktion eines der meist konsumierten Produkte der Welt.
Autorinnen und Autoren:
Olivier Pauchard, Text
Thomas Kern, Bilder
Céline Stegmüller, Videobearbeitung
(Übertragung aus dem Französischen: Gerhard Lob )
Aber wenige Rohstoffe ist nicht gleichbedeutend mit keinen Rohstoffen. Auch im Schweizer Boden liegen Reichtümer, manchmal sogar in Hülle und Fülle. Einer dieser Rohstoffe ist Salz – "das weisse Gold". Nach Jahrhunderten der Abhängigkeit vom Ausland reicht die inländische Salzproduktion inzwischen aus, um fast den gesamten Bedarf des Landes zu decken.
Salz ist heutzutage im Überfluss vorhanden und sehr günstig. Daher wird diesem Nährstoff im Allgemeinen kaum mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Und doch war Salz lange ein relativ knappes Gut, wurde einst intensiv gehandelt und sogar geschmuggelt.
All diese Aktivitäten rund ums Salz haben Spuren hinterlassen, die für Historiker und Liebhaber der Kulturgeschichte von Interesse sind. Auch die Tourismusbranche versucht, Interesse für die Geschichte und Bedeutung von Salz zu wecken.
In gesundheitlicher Hinsicht hat Salz zwei Gesichter. Es gilt einerseits als lebensnotwendig, wird aber im Fall von übermässigem Konsum auch als "stiller Killer" bezeichnet. In der Schweiz und in anderen Ländern versucht man daher, den Verbrauch aus gesundheitlichen Gründen zu reduzieren. Gleichwohl ist daran zu erinnern, dass Salz dank Anreicherung mit Jod auch zur Ausrottung einer in vielen Alpentälern verbreiteten Krankheit – dem Kretinismus - beigetragen hat.
Genau betrachtet lädt Salz zu einer faszinierenden Reise ein. Und wir laden Sie dazu ein.
Salz: ein Rohstoff
Überreste eines alten Meeres
Überreste eines alten Meeres
Das Schweizer Salz entstand vor rund 200 Millionen Jahren, nachdem der Ozean in der Trias ausgetrocknet war. Infolge von Faltbewegungen wurde dieser Rohstoff im Inneren der Erde bis zu einer Tiefe von mehreren hundert Metern eingeschlossen. Im Mittelland und im Jura finden sich grössere Salzvorkommen, in den Alpen auch Salzadern.
Drei Standorte
Drei Standorte
Heute wird das Schweizer Salz an drei Standorten gewonnen. Die grösste Saline befindet sich in Schweizerhalle (Kanton Basel-Landschaft). Dazu kommen die Saline Riburg (Aargau) und die Saline Bex (Waadt). Schweizerhalle ist mit rund 130 Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsplätze die grösste Saline, Riburg die produktionsstärkste (bis zu 1100 Tonnen Salz pro Tag).
Schwankende Produktion
Schwankende Produktion
Solche Unterschiede überraschen. Aber die Erklärung ist ganz einfach. Da etwa die Hälfte der Produktion für die Schneeräumung auf Strassen verwendet wird, hängt die Gesamtproduktion jeweils davon ab, ob ein Winter hart oder mild ist. Im vergangenen Jahr produzierten die drei Standorte 477’325 Tonnen Salz und hatten noch 222’283 Tonnen in Reserve.
Im Jahr 2019 wurden insgesamt 500’980 Tonnen Salz verkauft. Im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Annahme macht Speisesalz nur einen kleinen Teil der Gesamtmenge aus.
Die Herstellung
Wie funktioniert das Verfahren? Wasser wird unter Druck in das tief liegende Salzgestein gepumpt. Da sich Salz in Wasser auflöst, entsteht eine Salzwasserlösung, die als Sole bezeichnet wird.
Diese Sole wird bei hoher Temperatur gefördert und in Verdampfern erhitzt, damit das Salz rekristallisieren kann. Die Restfeuchtigkeit wird schliesslich durch den Einsatz von Trocknern entfernt.
In den Eingeweiden des Berges
(Ein Blick zurück mit diesen im Mai 1963 vom Schweizer Fernsehen in den Salzminen von Bex gedrehten Bildern)
Das Salzregal der Kantone
Das Salzregal der Kantone
Die Branche wird von einer einzigen Gesellschaft, der Schweizer Salinen AG, verwaltet und gemanagt. Diese Aktiengesellschaft ist im Besitz der 26 Kantone und des Fürstentums Liechtenstein. Sie betreibt in deren Auftrag das Salzregal. Ihr gehören auch die drei Produktionsstätten.
Konkret bedeutet das Monopol, dass es eigentlich nicht möglich ist, ausländisches Salz frei in die Schweiz einzuführen und hier zu vermarkten. Diese Regel wird jedoch nicht mehr so streng angewandt wie früher. Die Einfuhrbestimmungen wurden in den letzten Jahren stark gelockert.
Privatpersonen dürfen bis zu 50 Kilogramm Speisesalz pro Jahr für den Eigenverbrauch frei einführen. Für grössere Mengen ist eine Einfuhrbewilligung der Schweizer Salinen erforderlich. Eine solche wird nur erteilt, wenn das importierte Salz nicht in ihrem Sortiment zu finden ist (z.B. Fleur de Sel einer bestimmten Herkunft, das nicht im Angebot der Schweizer Salinen enthalten ist).
Die Schweiz bewilligt bis zu 6000 kg Salz pro Importeur, pro Jahr und pro Produktart, gegen eine Pauschalgebühr von 100 Franken für Mengen bis 500 kg und 150 Franken für Mengen zwischen 500 kg und 6000 kg.
Die Kantone sind dem bisher geltenden Salzregal sehr verbunden. Zu den Gründen für die Aufrechterhaltung dieses Monopols gehören die Versorgungsautonomie des Landes, die durch dieses System bewirkte Preisstabilität, die Gewährleistung einer umweltfreundlichen Produktion sowie die Möglichkeit, dem Salz Fluorid und Jod beizumischen.
Salz und Gesundheit: Die guten und die schlechten Seiten
Salz und Gesundheit: Die guten und die schlechten Seiten
Die gute und die positive Seite: Salz war immer schon ein Bestandteil des Lebens, unverzichtbar für alle Lebewesen. Es hilft auch bei der Behandlung gewisser Krankheiten.
Die schlechte und negative Seite: Zu viel Salz kann zu Bluthochdruck und damit zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.
"Salz ist ein unverzichtbares Lebensmittel, aber seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist es auch zu unserem Feind Nummer Eins geworden. Salz ist wie ein Januskopf mit zwei Gesichtern. Ohne Salz stirbt man, aber mit zu viel Salz stirbt man auch", sagt der Arzt und Historiker Vincent Barras.
"Ohne Salz stirbt man; aber mit zu viel Salz stirbt man auch."Vincent Barras, Arzt und Historiker
Thermalbäder – eine tausendjährige Tradition
Thermalbäder – eine tausendjährige Tradition
"Diese Bäder wurden wegen ihres Salzgehalts genutzt, nicht nur wegen Natriumchlorid, sondern auch wegen anderer Mineralsalze", sagt Barras. "Viele Beschwerden sollten mit Salz geheilt werden. Es ging nicht nur darum, in dieses Wasser einzutauchen, sondern das Thermalwasser wurde immer auch getrunken. Thermalkuren wurden in der ganzen Schweiz praktiziert. Dabei gab es stets einige Besonderheiten. Beispielsweise wurden bei Hautkrankheiten schwefelreichere Bäder empfohlen."
Das Thermalbaden erlebte seine Blütezeit im 19. Jahrhundert. Um 1860 gab es allein im Kanton Bern 73 Thermalbäder. 1870 zählte das Bundesamt für Statistik 610 Thermal- und Mineralquellen.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Boom vorläufig vorbei. Die Thermalbäder gerieten aufgrund der beiden Weltkriege in eine schwere Krise. In dieser Zeit bliebt die Kundschaft aus, der medizinische Fortschritt kam zum Stillstand. Neue touristische Gewohnheiten kamen auf.
Die Schweiz – Land der Thermalbäder
Schon gewusst? Die wärmsten Thermalquellen der Schweiz befinden sich in Lavey (Kanton Waadt). Das Wasser sprudelt mit einer Temperatur von 69 Grad Celsius aus dem Boden. Die Bäder in Baden (Aargau) verfügen über das mineralreichste Thermalwasser der Schweiz.
Die wichtigsten Schweizer Thermalbäder auf der Internetseite von Schweiz Tourismus.
Salz gegen den "Kretinismus"
Salz gegen den "Kretinismus"
Das hatte zur Folge, dass in diesen Regionen besonders viele Menschen am so genannten "Kretinismus" litten, mit Symptomen wie Kröpfen, Kleinwuchs, geistiger Minderentwicklung und anderen Missbildungen – man nannte sie "Crétins" oder auch "Crétins des Alpes" (Alpine Schwachköpfe).
Besonders viele "Crétins" gab es im 19. Jahrhundert im Kanton Wallis. Das Phänomen lockte sogar Touristen an. Auch in der berühmten Enzyklopädie von Diderot und d'Alembert wurde der "Kretinismus" speziell mit dem Wallis in Verbindung gebracht.
Diese Zeiten sind vorbei, denn heute enthält ein Grossteil des in der Schweiz verkauften Speisesalzes Jod. Es ist nicht der einzige Zusatzstoff. Auch Fluorid wird Salz zur Bekämpfung von Zahnkaries beigegeben.
Das ist eine Schweizer Besonderheit. In anderen Ländern, beispielsweise Frankreich, erlaubt es die Gesetzgebung nicht, einem Nährstoff wie Salz Zusatzstoffe beizumischen.
Aber auch in der Schweiz wird der Zusatz von Jod trotz der erreichten positiven Effekte von einigen Personen inzwischen kritisiert.
"Heutzutage ist diese Massnahme nicht mehr so nötig, weil Jod auch aus anderen Nahrungsquellen zugeführt werden kann. Die Ernährung ist unglaublich vielfältig geworden; so gibt es beispielsweise viel mehr Meeresfisch. Jod kann auch schädliche Auswirkungen haben, und Salz kann in einigen Fällen sogar sehr schädlich sein. Heutzutage würde man also nicht mehr notwendigerweise Salz mit Jod versetzen", sagt Barras.
CRETINS: Dieser Name wurde einer Gattung von Männern gegeben, die im Wallis in ziemlich grosser Zahl geboren werden, besonders in seiner Hauptstadt Sion. Sie sind taub, stumm, schwachsinnig, fast unempfindlich gegen Schläge und haben Kröpfe, die bis zum Gürtel reichen.Enzyklopädie von Diderot et d’Alembert
Wie das Wallis das Problem der Kropfbildung meisterte
Die Lösung kam schliesslich auch aus dem Wallis selber.
Salz, ein lautloser Killer
Salz, ein lautloser Killer
"Das durch Salz verursachte Hauptproblem ist der Bluthochdruck. Epidemiologen haben den Zusammenhang zwischen Salz und Blutdruck genau untersucht. Hoher Blutdruck ist einer der Hauptfaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, eine der wichtigsten Todesursachen in der Schweiz", sagt Barras.
Tatsächlich bestätigen Zahlen des Bundesamts für Statistik, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammen mit Krebserkrankungen die mit Abstand häufigste Todesursache in der Schweiz sind. Schweizer Medizinkreise teilen die WHO-Empfehlungen: Nach Ansicht der "Revue medicale suisse" (Ärztezeitschrift der französischsprachigen Schweiz) stellt die Reduzierung des Salzkonsums "eine wichtige Massnahme im Bereich der öffentlichen Gesundheit dar".
Der durchschnittliche Salzkonsum in der Schweiz beträgt neun Gramm pro Tag, fast das Doppelte der empfohlenen Menge. Unter der Leitung des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) wurde deshalb eine Strategie zur Reduktion des Salzkonsums entwickelt. Die 2013 implementierte Salzstrategie wurde nun in den Aktionsplan der Schweizer Ernährungsstrategie 2017-2024 integriert. Ziel ist es, den Salzkonsum mittelfristig auf acht Gramm und langfristig auf unter fünf Gramm pro Tag zu senken.
Um dieses Ziel zu erreichen, setzen die Behörden auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung. Sie beabsichtigen, die Öffentlichkeit für das Problem zu sensibilisieren. Zugleich wird der Kontakt zur Lebensmittelindustrie gesucht, um den Salzgehalt von Fertiggerichten zu reduzieren.
Was gilt es zu beachten?
Mit der Reduktion des Salzverbrauchs kann jede Konsumentin und jeder Konsument selbst beginnen, indem der Salzstreuer mit Mass genutzt und die Beigabe zu Gerichten angepasst wird.
Vor allem aber sollte man den Konsum von Fertigprodukten mässigen. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) erinnert zudem an besonders salzige Produkte: Brot und Kuchen, Käse und Käseprodukte, Fleischprodukte, salzige Snacks und Suppen.
Eine gesalzene Geschichte
Eine gesalzene Geschichte
Die Geschichte des Salzes hat Spuren hinterlassen, die sowohl für Geschichtsliebhaberinnen und -liebhaber als auch für die Tourismusbranche von Interesse sind.
(Bild: Die königlichen Salinen von Arc-et-Senans in Frankreich belieferten die Schweiz lange Zeit mit Salz)
Als Salz eine diplomatische Angelegenheit war
Als Salz eine diplomatische Angelegenheit war
In der Römerzeit kam das Salz hauptsächlich aus dem Mittelmeerraum. Schon bald wurde es auch aus dem französischen Jura ins Land gebracht, wo die Salzproduktion bereits in der Jungsteinzeit dokumentiert ist.
Frankreich war lange Zeit der Hauptlieferant von Salz für die Westschweiz. Die Ost- und Südschweiz wurden aus den jeweiligen Nachbarregionen beliefert.
"Die Wahl der Lieferanten hing von Preis, Qualität und Entfernung ab; alles Faktoren, die den Preis beeinflussten", erklärt der Historiker Christian Schülé. "Auch die politischen Umstände spielten eine Rolle; es gab eine regelrechte Salzdiplomatie. So enthielt beispielsweise der Freiburger Vertrag von 1516, der den ewigen Frieden zwischen der Eidgenossenschaft und dem Königreich Frankreich besiegelte, eine Salzklausel. Einige Lieferungen wurden in diplomatischen Verträgen und andere einfach durch Handelsverträge vereinbart."
Endlich eine eigene Produktion
Im 19. Jahrhundert wurden in der Region Basel durch Bohrungen neue Salzvorkommen entdeckt. "Das hat die Lage auf einen Schlag völlig verändert, denn wir konnten sehr viel Salz produzieren. Die Kantone konnten ihre Unabhängigkeit erlangen und den Import einstellen", sagt Schülé.
Auf dem Weg der Via Salina
"Dieser Handel war sehr intensiv", sagt Historiker Schulé. Tonnen über Tonnen von Salz wurden von Frankreich in die Schweiz transportiert. Yverdon diente als Drehscheibe. Dort wurde das Salz entgegengenommen und dann weiter nach Bern und in andere Schweizer Kantone transportiert. Es gab grosse Lagerhäuser. Auch die Stadt Zürich hatte einst ein Lagerhaus in Yverdon.
Da die Schweiz ab dem 19. Jahrhundert über genügend einheimisches Salz verfügte, ist diese historische Salzroute heute nicht mehr von Bedeutung. Aber die Erinnerung an sie bleibt lebendig. Der historische Salzweg "Via Salina" ist heute einer der zwölf Kulturwege der Schweiz.
Die Route verbindet die königlichen Salinen von Arc-et-Senans (Franche-Comté) mit Bern. Entlang dieses Weges lassen sich mehrere Unesco-Welterbestätten entdecken. Auf dem schweizerischen Teil des Salzweges gibt es nur noch wenige sichtbare Zeugnisse der einstigen Handelsstrasse.
Es ist jedoch möglich, so genannte Geleisestrassen (voies à ornières) zu sehen. Es sind in den Felsuntergrund gehauene Rillen, die es Karren ermöglichten, durch die steilen Hänge des Jura zu fahren. Sie werden auch als "Römerstrassen" bezeichnet.
Wenn Salz zur Touristenattraktion wird
In der Deutschschweiz lässt sich bei den Schweizer Salinen das Salzmuseum namens "Die Salzkammer" besuchen. Fünfzehn Räume bieten einen umfassenden Überblick über die Welt des Salzes: Von der Gewinnung über die chemische Zusammensetzung bis zum Handel und der Kultur. Auch die Salinen Riburg und Schweizerhalle können besichtigt werden.
In der Westschweiz ist es möglich, das Salzbergwerk von Bex zu besuchen, das auf eine fast 500-jährige Geschichte zurückblickt. Die Besucherinnen und Besucher können sich dort auf die Spuren von Bergarbeitern begeben und eine Reise ins Herz des Salzbergs unternehmen.