Mythos Gotthard
Mythos GotthardEine Reise über dem längsten Tunnel der Welt
Erstfeld - Wassen
Erstfeld - Wassen
Die Eroberung des Gotthards
360°Die Kirche von Wassen
Nach etwas über drei Stunden erreichen wir Wassen. Zuerst besuchen wir die weisse Kirche, die sich auf einem Hügel mitten im Tal befindet. Eine Kirche, die manchmal wie eine Fata Morgana erscheint, und die man aus dem Zug mehrere Mal sieht. Wassen ist für eines der zahlreichen Kunststücke der Eisenbahntechnik bekannt: Drei Kehrtunnel ermöglichen es hier der Eisenbahn, auf ein paar wenigen Kilometern fast 100 Höhenmeter zu gewinnen. Im Zug hat man deshalb das Gefühl, eine Weile an Ort zu reisen. Während einigen Minuten ist die Kirche immer da: rechts, links, oben, unten…
Wassen - Andermatt
Wassen - Andermatt
360°Die Teufelsbrücke
In Andermatt angekommen, 300 Meter höher im Urserntal gelegen, laufen wir etwas zurück, um diese enge Passage aus der Nähe zu betrachten. Wir blicken hinunter in die Schöllenenschlucht, ein neuralgischer Punkt der Gotthardstrasse, während Jahrhunderten unpassierbar. Erst zwischen Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts gelang es, die Schlucht mit einer Fussgängerbrücke zu überwinden. Dann wurde die Teufelsbrücke gebaut, und die Schlucht war besiegt.
Es ist genau an diesem Ort, wo die Geschichte des Gotthards wirklich begonnen hat. Dank der Hilfe des Teufels, der – wie die Legende erzählt – die Brücke erbaute, im Tausch für die erste Seele, die über die Brücke schreiten würde… Die listigen Urner jagten als erstes Lebewesen eine unglückliche Ziege über die Brücke.
In die rechte Felswand der Schlucht wurde ein imposantes Denkmal mit kyrillischen Schriftzeichen hineingemeisselt. Es erinnert daran, dass 1799 hier eine blutige Schlacht zwischen der Armee des russischen Generals Suworow und napoleonischen Truppen stattgefunden hat. Suworow überquerte mit seinen 21'000 Soldaten die Pässe Gotthard, Lukmanier und Oberalp – ein Unterfangen, das von einigen mit jenem Hannibals verglichen wird, und das zu einer Legende der russischen Militärgeschichte wurde.
Auch wenn dies die einzige Kriegslegende der Region ist, so atmet der Gotthard trotzdem viele soldatische Geschichten. Es reicht ein sorgfältiger Blick auf die Felswände, um zu erkennen, dass das Gebiet durchlöchert ist wie ein Schweizer Käse. Überall lugen Kanonenrohre hervor.
Damit haben wir aber bereits in der Zeit vorgegriffen. Hier ist es noch zu früh, um über die jüngste Vergangenheit zu sprechen. Oben auf dem Pass werden wir noch die Möglichkeit haben, selber in Bunker zu steigen. Denn jetzt holen uns die Bulldozer und Kräne, die Andermatt gegenwärtig bevölkern, zurück in die unmittelbare Gegenwart.
Andermatt - Gotthardpass
Andermatt - Gotthardpass
360°Auf dem Gotthardpass
Wir treten ein in das strenge und herrliche Hospiz, das kürzlich renoviert wurde und seit 1237 hier steht. Jedes Zimmer ist nach einer bekannten Persönlichkeit benannt, die hier vorbeigekommen ist: Goethe, Honoré de Balzac, Victor Hugo, Rossini, Petrarca… Unser Zimmer ist dem russischen Anarchisten Michail Bakunin gewidmet. Wir schlafen, eingelullt von der Geschichte.
Gotthardpass - Airolo
Gotthardpass – Airolo
360°Die Tremola
Wir erreichen die Tremola, ohne Zweifel DAS Symbol der Gotthardstrasse. Sie ist ein wahres Kunstwerk der Neuzeit und sieht heute noch genauso aus, wie 1951, als ihr Bau abgeschlossen worden war.
Auf einem Kilometer Luftlinie schafft sie mit 24 Kurven 340 Höhenmeter. Einige mutige Radfahrer stellen sich der alten Passstrasse aus Pflastersteinen. Autofahrer in ihren Oldtimern lassen die alten Zeiten aufleben, als das Auto König und eine Autoreise ein Abenteuer war.
Nachdem man die engen Kurven passiert hat, öffnet sich das Tal. Fünfhundert Meter weiter unten sehen wir das Dorf Airolo und einen Teil des Leventinatals. Bei der Kaserne Motto Bartola erwartet uns Edoardo Reinhart. Dieser Touristenführer des Vereins Freunde des Fort Airolo führt uns zu einem Stall, im Tessin Rustico genannt. Ein Rustico mit einer Sicherheitstür?
Auf Erkundungstour im Artilleriewerk Foppa Grande
Airolo - Pollegio
Airolo – Pollegio
360°Giornico
Nach dem Abstieg aus der Biaschinaschlucht, die von einem enormen Autobahnviadukt überragt wird, ist die Temperatur merklich angestiegen. Wir sind nun zurück in der Ebene. Unser Ziel rückt näher. Der letzte Zwischenhalt ist in Giornico, eine kleine mittelalterliche Perle mit sieben Kirchen und zwei romanischen Brücken.
Nun folgt der Endspurt. Noch ein paarmal ins Pedal treten, und kurz nach Bodio stossen wir auf den gigantischen Bohraufsatz einer Tunnelfräsmaschine. Er wurde für die Bohrarbeiten des neuen Eisenbahntunnels benutzt und ist nun am Strassenrand abgestellt. Er hat seine Arbeit getan. Nun wurde er zu einem Denkmal für die Moderne.
Einige Dutzend Meter weiter befindet sich das Südportal des Gotthard-Basistunnels. In einigen Monaten werden hier die fahrplanmässigen Züge verkehren. Damit kann der Berg der Geschichte und der Mythen im Nu durchfahren werden. Und mit der Geschwindigkeit wird vielleicht sogar der Mythos Gotthard langsam verschwinden. Vielleicht aber wird in dieser Legende damit auch ein weiteres Kapitel aufgeschlagen.